Monthly Archives : Januar 2016

Lektorat in der Sprachenfabrik – eine Wissenschaft für sich

Die deutsche Sprache und ihre Tücken

Heißt es nun „scheinbar“ oder „anscheinend“? Setzt man in diesem Satz vor dem Infinitiv nun ein Komma oder nicht? Und wie ist das mit der Kasuskongruenz in jenem Fall?

Unser Alltag im Lektorat der Sprachenfabrik ist voll kniffliger Fragen. Fragen, die uns in immer neuen Kontexten begegnen und auf die wir immer wieder neue Antworten finden müssen.

Und das liegt auch an den unterschiedlichen Texten, die täglich über unseren Schreibtisch und durch unsere kritische Prüfung gehen. Vom Kundenmagazin über den Geschäftsbericht bis hin zur kleinen Werbeanzeige – wir sorgen dafür, dass jeder Ihrer Texte orthografisch und grammatikalisch optimiert wird und dabei trotzdem immer seinen individuellen Charakter bewahrt. Und diese Aufgabe ist jedes Mal eine Herausforderung, wenn man sich wie wir täglich mit all den verschlungenen Pfaden der deutschen Rechtschreibung und Grammatik auseinandersetzt. Dabei ist es nämlich nicht einfach nur damit getan, einzelne Wörter im Duden nachzuschauen und auf richtige Schreibung zu überprüfen. Vielmehr jonglieren wir mit verzwickten grammatikalischen Satzstrukturen, erforschen die korrekte Verwendung von Präpositionen und Adverbien und hinterfragen Wortbedeutungen und rhetorische Stilmittel.

 

Punktgenaues Lektorat

Dabei wird uns jedes Mal aufs Neue bewusst, nach welch komplizierten Regeln die deutsche Sprache funktioniert.

Denkt man nur mal an die Präpositionen im Deutschen: Jede verlangt einen anderen Kasus! Intuitiv wählen wir Muttersprachler im mündlichen und schriftlichen Gebrauch meistens den richtigen. Sitzt man aber mit dem Rotstift vor dem Text, kommt man dann doch mal ins Grübeln, ob es „entsprechend dem“ oder „entsprechend des“ heißen muss.

Dann diese Sache mit den Strichen: Braucht man die eigentlich? Tatsächlich werden Binde- und Gedankenstriche im täglichen Schriftgebrauch eher stiefmütterlich behandelt. Die Missachtung von Bindestrichen zur Kopplung von Wörtern führt im Alltag zum Beispiel zu verwirrenden Wortfolgen wie „Würfel Zucker“ oder „Diplom Ingenieur“. Diese umgangssprachlich etwas abwertend als „Deppenleerzeichen“ bezeichneten Fälle finden sich in erstaunlich vielen Texten.

Wussten Sie, dass die Striche überdies unterschiedliche Längen haben können? Der Bindestrich als Kopplungsstrich zwischen zwei zusammengesetzten Wörtern ist grundsätzlich kürzer als der Gedankenstrich. Letzteren, auch Bis-Strich genannt, verwendet man beispielsweise zur Angabe eines Intervalls in Ausdrücken wie Mo.–Fr. oder 20:00–21:00 Uhr.

Sehr interessant ist auch, wie häufig der Apostroph im Deutschen zweckentfremdet wird. So setzt man ihn oft an Stellen, an denen er grammatikalisch und orthografisch nun wirklich nichts zu suchen hat, zum Beispiel zur Angabe der Plural- oder Possessivform (Foto’s, Oma’s Strümpfe) oder dort, wo eine Präposition mit einem Artikel verschmolzen wird (für’s).

Für viele von uns ist die deutsche Kommasetzung seit Schulzeiten ein Buch mit sieben Siegeln. Erlaubt die Rechtschreibreform zwar neuerdings größere Freiheiten beim Setzen von Kommas, unter anderem bei zwei durch „und“ verbundenen Hauptsätzen, macht dies die Sache nicht unbedingt einfacher. Muss man doch auch jetzt jedes Mal aufs Neue überlegen, ob eventuell ein Nebensatz zwischen die Hauptsätze eingeschoben ist, was auch nach den derzeit gültigen Regeln definitiv ein Komma verlangt.

 

Sie sehen: All das macht unsere Arbeit zu einer höchst komplexen Wissenschaft, die wir lebendig an Ihren Texten umsetzen. Und als Endprodukt steht immer ein gut lesbarer, korrekter Text, den Sie sofort veröffentlichen können und der Ihre Kommunikationsziele optimal unterstützt. Nutzen auch Sie den Lektoratsservice der Sprachenfabrik! Wir freuen uns auf Ihre Texte.

Hier erhalten Sie einen Überblick über unsere Leistung.

7 Eigenarten der deutschen Sprache

Unsere britische Praktikantin Kate berichtet von den Fallstricken des Deutschen

Ein berühmter Mann sagte einst: „Das Leben ist zu kurz, um Deutsch zu lernen.“ Leider habe ich nicht auf ihn gehört und mache jetzt seit vier Monaten ein Praktikum bei der Sprachenfabrik in Bielefeld. Hier versuche ich, für meinen Abschluss in „Moderne Sprachen“ Deutsch zu lernen. Obwohl Deutsch nicht Russisch, Chinesisch oder Arabisch ist, zählt es dennoch zu einer der schwierigsten Sprachen überhaupt mit einer Menge Eigenarten. Als Britin habe ich mich auf meiner mühseligen Odyssee durch den Irrgarten der deutschen Sprache schon oft verlaufen. So langsam dringt jedoch etwas Licht durch das dichte Grün und ich beginne, zu erahnen, welcher Weg der richtige ist.

 

Sieben Dinge, die ich über die deutsche Sprache gelernt habe

  1. Lange vs. kurze Wörter

Das Deutsche ist bekannt für seine langen Wörter. Viele Wörter kann man einfach miteinander verbinden, sodass ein einziges langes, oftmals unaussprechbares Wort entsteht. Das längste deutsche Wort ist laut Guinness-Buch der Rekorde von 1996 Donaudampfschifffahrtselektrizitätenhauptbetriebswerkbauunterbeamtengesellschaft. Im Englischen wären das ganze 15 Wörter: „Association for subordinate officials of the head office management of the Danube steamboat electrical services“.

Etwas brauchbarere Beispiele sind Glühbirne, zusammengesetzt aus glühen und Birne, sowie Staubsauger, das von Staub und saugen kommt. Ich habe festgestellt, dass ich, wenn ich nach dem richtigen Wort suche, häufig einfach nur zwei Wörter zusammensetzen muss und schon habe ich die richtige Lösung!

Andererseits benutzen die Deutschen auch viele kurzer Wörter, die allerdings überhaupt keinen Sinn ergeben. Sie werden im Mündlichen viel öfter verwendet als im Schriftlichen und unterscheiden sich je nach Region. In Bielefeld kann ich hier ein „mal“ einbauen, dort ein „schon“, oder es auf gut Glück auch mit einem „jetzt“ versuchen, und ohne dass diese Wörter eine wirkliche Bedeutung zu meinem Satz beisteuern würden, klingt mein Deutsch gleich viel deutscher!

  1. Alle deutschen Wörter klingen gleich

Das ist natürlich etwas übertrieben, aber für ungeübte Ohren klingen viele deutsche Wörter wirklich identisch. Stellen Sie sich vor, wie sich meine Mitbewohner amüsiert haben, als ich ihnen von einem Abfall erzählte, obwohl ich eigentlich Unfall meinte. Bevor ich aber auf das Wort Unfall kam, habe ich es noch mit Ausfall, Notfall und Einfall probiert. Zum Glück ist mir nicht auch noch Durchfall eingefallen! Bei so vielen verschiedenen Präfixen mit so unterschiedlichen Bedeutungen können Wörter, die sehr ähnlich klingen, etwas völlig anderes heißen.

  1. Syntax

Jeder, der irgendwann einmal Deutsch gelernt hat, erinnert sich bestimmt an dieses eine seltsame Phänomen: die deutsche Satzstellung. Die Goldene Regel lautet, dass im Deutschen das Verb IMMER an der zweiten Position im Satz steht. Natürlich nur, wenn es nicht am Ende stehen muss, weil man eine unterordnende Konjunktion verwendet hat. In seinem berühmten Aufsatz „Die schreckliche deutsche Sprache“ gibt Mark Twain ein gutes Beispiel dafür, wie lächerlich diese Regel sein kann:

Wenn er aber auf der Straße der in Samt und Seide gehüllten jetzt sehr ungenirt nach der neusten Mode gekleideten Resräthin begegnet.

Zu Verdeutlichung, wie seltsam das für uns Englisch-Muttersprachler ist, hier der ganze Satz auf Englisch, nur mit deutscher Satzstellung: „But when he, upon the street, the (in-satin-and-silk-covered-now-very-unconstrained-after-the-newest-fashioned-dressed) government counselor’s wife met,”

  1. Kasus und Genus

Wie in vielen anderen europäischen Sprachen haben Substantive im Deutschen ein Genus. Es gibt das Maskulinum, das Femininum und das Neutrum und dazu auch noch den Plural. Je nachdem, welches Geschlecht ein Substantiv hat, lautet der zugehörige Artikel „der“, „die“, „das“ oder „die“ (Plural). Die Artikel verändern sich jedoch, wenn die deutschen Fälle dazukommen. Es gibt vier Fälle, die je nach Position des entsprechenden Substantivs im Satz verwendet werden. Ich werde nicht versuchen, das alles in diesem kurzen Blogeintrag zu erklären, aber insgesamt gibt es ganze 16 Möglichkeiten, wie das englische „the“ im Deutschen wiedergegeben werden kann: der, die, das, den, dem und des.

  1. Redewendungen

Deutsche Redewendungen sind genau wie die Deutschen: Logisch, strukturiert und vernünftig. Besonders gut gefällt mir „eierlegende Wollmilchsau“, wörtlich ins Englische übertragen „egg-laying wooly milk cow“, womit man eine Person beschreibt, die einfach alles kann, also ein echtes Multitalent. Oder auch die eher auf Sprache bezogene Redensart „Mein Deutsch ist nicht das Gelbe vom Ei, aber es geht“. Wörtlich ins Englische übersetzt wäre das „My German is not the yellow of the egg, but it goes“, was allerdings nicht viel Sinn ergibt.

  1. Ümläute

Die drei kleinen Buchstaben ö, ü und ä bereiten Deutschlernern große Schwierigkeiten. Im Englischen zum Beispiel gibt es sie schlicht und ergreifend nicht. Die größten Probleme habe ich mit dem „ü“, das für mich so wie „eew“ klingt. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich schon „Kuchen“ und „Küche“ miteinander verwechselt habe. Ein kleines Phonem kann einen riesigen Unterschied machen, schließlich möchte niemand eine Küche essen oder den Kuchen putzen.

  1. Denglisch

Der Rettungsanker aller Englisch-Muttersprachler, die Deutsch lernen, ist „Denglisch“ (ein paar tolle Beispiele gibt es im Video weiter unten). Wenn man zwei Deutschen bei einer Unterhaltung zuhört, fallen einem zig englische Wörter auf, die einfach so eingestreut werden (selbstverständlich mit deutscher Aussprache). Vor allem in den Bereichen Marketing, Wirtschaft und Technik kommen viele neue Wörter aus dem Englischen, weshalb die Deutschen gerne noch etwas „in der Pipeline“ haben oder Dinge als „sehr strange“ bezeichnen. Zur Not kann man es also einfach auch auf Englisch sagen und schon gibt es kein Kommunikationsproblem mehr!

Das Deutsche hat eine Menge Eigenarten. Und obwohl ich meinen Kopf aus Verzweiflung manchmal wirklich gerne gegen die Wand hauen würde, kann Deutschlernern großen Spaß machen. Das Team der Sprachenfabrik hat zum Glück sehr viel Geduld mit mir, korrigiert mich wenn nötig und motiviert mich immer wieder, nicht aufzugeben.