Kultur und Sprache

Zum heutigen Hieronymus-Tag …

Welcher Hieronymus? Das fragen sich vielleicht manche Leser*innen. Hieß so nicht der Tausendfüßler aus der Kinderserie „Biene Maja“? Oder, Moment mal, sicher ist Hieronymus Bosch, der niederländische Renaissance-Maler, gemeint!

Nein. Gemeint ist der Gelehrte und Theologe Hieronymus, der im Jahre 347 n. Chr. geboren und am 30. September 420 gestorben ist. Heute jährt sich der Todestag dieses alten Kirchenvaters also zum 1.600sten Mal.

Und warum ist uns dieser Tag nun ein Blogartikel wert? Unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Übersetzungsbranche wissen es natürlich: Hieronymus gilt als Urvater der Übersetzerinnen und Übersetzer – und auch als deren Schutzpatron. Der 30. September ist Hieronymus zu Ehren der Internationale Tag des Übersetzens. Diese Idee stammt ursprünglich aus Frankreich. Dort wurde der 30. September erstmals 1954 von der Fédération Internationale des Traducteurs genutzt, um Aufmerksamkeit für ihre Branche zu erregen. Da diese Branche per definitionem eine internationale ist, wurde auch dieser Gedenktag immer weiter internationalisiert – und im Jahr 2017 schließlich durch die UNO-Generalversammlung ganz offiziell und weltweit als Internationaler Tag des Übersetzens anerkannt.

Aber zurück zu Hieronymus: Was hat der gelehrte Kirchenvater aus der Spätantike eigentlich Grundlegendes für unsere Branche getan? Nun, die Antwort ist recht naheliegend: Er war der erste Übersetzer des „Buchs der Bücher“, der Bibel. Da Hieronymus neben dem klassischen Latein auch Griechisch und Hebräisch beherrschte, war er dazu in der Lage, die ursprünglich verschiedensprachigen biblischen Schriften in eine Art zeitgenössisches Latein zu übertragen. Er verfasste somit die sog. „Vulgata“, die Bibelübersetzung, mit der sehr lange Zeit quasi als Standardwerk gearbeitet wurde. Durch seine Übertragung wurden die Bibeltexte einem wesentlich größeren Lesepublikum zugänglich gemacht. Die Vulgata war über Jahrhunderte hinweg die Bibelübersetzung schlechthin für die gesamte katholische Kirche.

Diese Entwicklung, ein größeres Zielpublikum zu erreichen, wurde übrigens erst nach der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg im Jahre 1450 von Martin Luther fortgeführt. Luther, ebenfalls Gelehrter und Theologe, schaute „dem deutschen Volke aufs Maul“. Sprich: Er übersetzte Hieronymus‘ Vulgata aus dem mittlerweile nicht mehr zeitgemäßen Latein in die deutsche Alltagssprache. Damit machte er die Bibelinhalte einer noch größeren Menge an Menschen zugänglich, nämlich dem gemeinen Volk, das dem Lateinischen in der Regel nicht mächtig war. Und: Wissen ist Macht! War der Inhalt der Bibeltexte zuvor nur den Gelehrten und Theologen bekannt, begann nun das Wissens- und damit auch das Machtmonopol der katholischen Kirche langsam zu wackeln.

Zum Internationalen Übersetzertag finden üblicherweise zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen verschiedener Organisationen und Verbände statt, die auf die Relevanz und Leistungen der Übersetzerbranche hinweisen sollen. Fast alle Veranstaltungen mussten in diesem Jahr leider coronabedingt abgesagt werden. Dennoch möchten wir gern auf eine Veranstaltungsreihe der Weltlesebühne, eines Zusammenschlusses verschiedener Übersetzer, aufmerksam machen. Hier sind spannende kulturelle Veranstaltungen rund um das Thema „Übersetzen“ zusammengefasst. Vielleicht haben Sie ja heute Abend noch nichts vor.

Warum wir Schriftsprache brauchen – Gedanken zum Weltalphabetisierungstag

In Zeiten von Siri, Alexa und WhatsApp-Sprachnachrichten haben vielleicht schon so manch träge Tastentipper*innen oder gelangweilte Deutschunterricht-Gedichtsanalytiker*innen die leise Hoffnung geschürt, dass unsere geliebte Schriftsprache irgendwann ein überholtes Relikt der Vergangenheit ist. Warum brauchen wir überhaupt Schriftsprache? Anlässlich des heutigen Weltalphabetisierungstags möchten wir dieser Frage nachgehen.

 

Schriftsprache – eine kurze Einordnung

Schriftsprache gibt es nicht schon immer. Genauso wie gesprochene Sprache auch hat sie sich über die Zeit entwickelt und ist Teil des Menschseins geworden. Am anschaulichsten wird das wohl, wenn man sich Kommunikation bei Tieren ansieht. Vom Tanz der Bienen über eine australische Forscherin, die erstaunliche Erkenntnisse über das Muhen von Kühen gewinnen konnte, bis hin zu der Gorilladame Koko, die in der Lage war, über 1.000 Zeichen einer modifizierten amerikanischen Gebärdensprache korrekt zu verwenden: Tiere sprechen Sprache. Jedoch hat es keine Spezies dazu gebracht, eine Schriftsprache zu entwickeln – bis auf den Menschen. Während zu Beginn vermutlich nur mit einfachen bildhaften Symbolen kommuniziert wurde, entwickelten sich später immer abstraktere Schriftsysteme, die schließlich in unsere heutigen Schriftzeichen mündeten: lateinische, kyrillische, arabische, japanische, chinesische und viele mehr. Entsprechend ist die Schriftsprache Gegenstand verschiedenster Wissenschaftszweige: Archäologie, Geschichtswissenschaft, Kulturwissenschaft, Linguistik, Literaturwissenschaft – und die Liste kann noch lange fortgeführt werden.

Schriftsprache – ein Plädoyer

Aber warum brauchen wir jetzt Schriftsprache? Das erste Argument liegt auf der Hand: Wir brauchen Schriftsprache, um überhaupt eigenständig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Diese Erfahrung teilen alle, die sich an ihr Leben vor dem Schriftspracherwerb erinnern können. Auch als Erwachsene überhören wir noch von Zeit zu Zeit ein Kind, das gerade lesen gelernt hat und nun so vergnügt alles liest, was ihm in die Quere kommt: Verkehrsschilder, Speisekarten, Papas Personalausweis. Mit dem Aufblühen der städtischen Lebenskultur vor einigen Jahrhunderten, in der Menschen enger zusammenlebten und sich organisieren mussten, erfuhr auch die Schriftsprache einen Aufschwung. Von der Fahrt zur Arbeit über den wöchentlichen Einkauf bis hin zur abendlichen Lieblingslektüre: Ohne (Kenntnis von) Schriftsprache sind all diese alltäglichen Ereignisse nicht vorstellbar.

Es gibt aber auch Gesichtspunkte, die über die Vereinfachung unseres Alltags hinausgehen. Rein mündlich kommunizierenden Kulturen eine Schriftsprache zu verleihen, wird beispielsweise als eine Lösung genutzt, um diese Sprachen vor dem Aussterben zu retten. Wenn man bedenkt, dass rund die Hälfte aller Sprachen weltweit (ca. 6.000) vom Aussterben bedroht ist, spricht die Tatsache, dass wir mittels Schriftsprache einen Teil davon retten können, als Argument für die Bedeutung von Schriftsprache wohl für sich. Abgesehen davon kann und muss Schriftsprache in Form von Literatur als Medium unserer Kultur gesehen werden. Eine Welt ohne Bücher, Gedichte oder Blogbeiträge? Kaum auszudenken! Aber egal, ob Kino, Konzert oder Kriminalroman: Warum sollten wir uns willentlich einer Option berauben, unsere Kultur zu genießen und weiterzuentwickeln?

Schriftsprache ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Kultur, in den Wissenschaften, aber auch schlicht: in unserem Alltag. Auch vor diesem Hintergrund schenken wir unsere Aufmerksamkeit dem heutigen Weltalphabetisierungstag.

Weltalphabetisierungstag – Zahlen und Fakten

Weltweit gibt es über 750 Millionen Erwachsene, denen basale schriftsprachliche Kompetenzen fehlen; in Deutschland sind ca. 7,5 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter sogenannte funktionale Analphabeten („leo. – Level-One Studie“, 2011), die zwar einzelne Sätze lesen oder schreiben, jedoch keine zusammenhängenden Texte verstehen können – egal wie lang (oder kurz) diese sein mögen. Rund 2 Millionen Menschen gelten darunter als Analphabeten im engeren Sinne, d. h., dass sie zwar einzelne Wörter lesend verstehen bzw. schreiben können – nicht jedoch ganze Sätze. Zudem müssen die betroffenen Personen auch gebräuchliche Wörter Buchstabe für Buchstabe zusammensetzen.

Seit 1967 begeht die UNESCO jährlich den „International Literacy Day“, den Welttag der Alphabetisierung, um die Öffentlichkeit an die Bedeutung der Alphabetisierung als einer Frage der Würde und Menschenrechte zu erinnern und so die Entwicklung hin zu einer immer stärker alphabetisierten und nachhaltigeren Gesellschaft voranzubringen.

Der Duden – ein sprachlicher Spiegel seiner Zeit

Als der Gymnasiallehrer Konrad Duden am 07. Juli 1880 sein „Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“ veröffentlichte, ahnte er wohl noch nicht, dass sein Nachname Jahrzehnte später den Charakter einer Marke annehmen würde. Auch für uns in der Sprachenfabrik gehört der Duden fest ins Repertoire und ist eins unserer unverzichtbaren Arbeitswerkzeuge. Wo kämen wir hin, wenn wir bei unseren Leistungen Korrektorat und Lektorat nicht auf den schlauen Ratgeber im gelben Design zurückgreifen könnten?

Von „Covid-19“ bis „Brexiteer“

Fast auf die Jahreszeit genau 140 Jahre später ist im August 2020 die inzwischen 28. Auflage erschienen. Und mit insgesamt 148.000 Stichwörtern, davon 3.000 neu aufgenommenen Begriffen, und Hinweisen zum geschlechtergerechten Gebrauch spiegelt der Duden mehr denn je den Zeitgeist der jüngsten Vergangenheit wider. Mit Begriffen wie „Shutdown“, „Social Distancing“, „Covid-19“, „Influencer“, „Klimakrise“, „haten“ und „Brexiteer“ trägt er all den Ereignissen und Entwicklungen sprachlich Rechnung, die uns in den letzten Wochen und Monaten begleitet haben. Angesichts zunehmender Gender-Debatten beinhaltet die neue Ausgabe z. B. auch Empfehlungen zum gendergerechten Sprachgebrauch – und das neue Gender-Sternchen ist bereits zu einer viel diskutierten Neuerung geworden. Mit dem „Duden-Mentor“, einer neuen Funktion zur Textprüfung, können die Käufer*innen einen Monat kostenlos digital ihre Texte prüfen lassen. Der Duden geht also auch in der digitalen Welt weitere Schritte.

28 Auflagen deutscher Geschichte

Angesichts der neuesten Ausgabe ist es interessant, auf ein paar Meilensteine in der Geschichte der 28 Duden-Auflagen zurückzublicken. Umfassen diese doch immerhin drei Jahrhunderte, wenn auch zwei davon nur in Teilen.

Welche Ereignisse fanden in den verschiedenen Auflagen ihren Niederschlag? Was hat sich in den neuen Ausgaben gegenüber den älteren geändert? Welche Wörter waren in bestimmten Auflagen tonangebend? Hier ein ausgewählter Überblick:

Als sogenannter Urduden ging die erste Auflage des Duden im Juli 1880 in die Geschichte ein. Verglichen mit der aktuellen Ausgabe war der Urduden ausgesprochen übersichtlich, nur 27.000 Stichwörter fanden auf 187 Seiten Platz. Das Erscheinungsjahr dieses ersten Dudens verwundert nicht, wenn man es vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte betrachtet: Die Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1870/71 verlangte nach Regeln für eine einheitliche Rechtschreibung im gesamten Land. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten z. B. alle Schulen in jedem deutschen Teilstaat ihre eigenen orthografischen Regeln aufgestellt.

Von der dritten Auflage an, die im Jahr 1887 erschien, umfasste der Duden immer mehr sachdienliche Erläuterungen zu bestimmten Begriffen sowie etymologische Angaben.
Vielleicht hatte diese Erweiterung zur Folge, dass ab der 7. Auflage im Jahr 1902 ein redaktionelles Team den Urheber Konrad Duden bei seiner Arbeit unterstützte – der Vorläufer der heutigen Duden-Redaktion, die auch nach Konrad Dudens Tod im Jahr 1911 die Verantwortung übernahm.

Es verwundert nicht, dass die 11. und 12. Auflage, die während der NS-Zeit erschienen, vom ideologischen Gedankengut der damaligen Zeit geprägt waren. So enthielt die 11. Auflage im Jahr 1934 180, die 12. Auflage im Jahr 1941 sogar 883 neue NS-Begriffe, die selbstverständlich im ersten „Nachkriegsduden“ 1947 wieder herausfielen.

Dass sich die deutsche Teilung schon zu Beginn der 50er-Jahre andeutete, fand sich auch in zwei unterschiedlichen Ausgaben des Duden wieder. Ab diesem Zeitpunkt veröffentlichten beide deutsche Staaten ihren jeweils eigenen Duden, einen Ost- und einen West-Duden.

Die Wortwahl machte die unterschiedlichen Lebenswelten in beiden deutschen Staaten deutlich: So enthielt der Ost-Duden ab Ende der 60er-Jahre zunehmend Begriffe aus dem sozialistischen Milieu. Begriffe wie „Kreuzfahrt“ oder „Staatsstreich“ wollte man verständlicherweise nicht aufnehmen. Der westdeutsche Duden war hingegen auch offen für die Jugendsprache. Auffallend ist, dass sich beide Duden-Ausgaben im Bereich der Rechtschreibung kaum voneinander unterschieden. Interessanterweise war im Ost-Duden bis in die 60er-Jahre hinein auch keine Trennung der politischen Systeme erkennbar: So erschien hier das allgemeine Wort „Deutschland“ für beide deutsche Staaten, „Berlin“ war die „Hauptstadt Deutschlands“. Von Begriffen wie „BRD“ und „DDR“ war erstaunlicherweise nicht die Rede. Dies änderte sich zwar im weiteren Verlauf der Ausgaben. Aber man kann schon an dieser Stelle vielleicht erahnen, dass später „zusammenwachsen muss, was zusammengehört“.

Dies war dann tatsächlich im sogenannten Einheitsduden der Fall, der im August 1991 als 20. Auflage erschien. Das Kapitel der zwei parallel existierenden Duden-Ausgaben ging damit nach gut 40 Jahren zu Ende.

Von der 21. Auflage im Jahr 1996 an begann man, die Inhalte des Dudens fortlaufend zu vereinfachen und zu erweitern. Im „Reformduden“ vereinfachte man z. B. die Regelungen zur Laut-Buchstaben-Zuordnung, zur Getrennt- und Zusammenschreibung und zur Zeichensetzung. Das Computer-Zeitalter machte sich bemerkbar, denn erstmals gab es den Duden als CD-ROM.
Die 23. Auflage aus dem Jahr 2004 ging einen weiteren Schritt in Richtung sprachliche Gleichstellung, indem sie weibliche Personenendungen aufnahm. Inzwischen war der Duden völlig in der digitalen Welt angekommen: Er war für alle technischen Systeme verfügbar, mittlerweile auch für Smartphones.

Einmal mehr machte der Duden in der 24. Auflage im Jahr 2006 als Orthografie-Ratgeber seinem Namen alle Ehre: Die Duden-Redaktion machte erstmals empfohlene Schreibweisenvarianten mit gelber Schriftfarbe optisch kenntlich.

Auch im Bereich des Wortschatzes öffnete sich der Duden in den folgenden Jahren immer mehr dem Zeitgeist und zeigte, dass sich Sprache untrennbar mit gesellschaftlichen Entwicklungen verband und verbinden wird: Abwrackprämie, Web-Log, QR-Code, Inklusion, Flashmob … Die Liste ist noch nicht zu Ende.

Wir sind auf jeden Fall gespannt, wie die 29. Auflage in ein paar Jahren aussieht.

Sprachenfabrik-Tipps fürs „Homeostern“

Ostern 2020 ist anders: Familientraditionen müssen ausgesetzt, verschoben oder abgewandelt werden, gegenseitige Besuche können nicht stattfinden, Osterfeuer sind abgesagt und bei individuellen Ausflügen an der frischen Luft müssen strikte Regelungen eingehalten werden. Dies ist sicher an den Feiertagen eine besonders schwierige Situation, auch wenn allen bewusst ist: Gesundheit geht vor! Und dennoch – oder gerade deswegen: Das Team der Sprachenfabrik wünscht frohe Ostern und hat im folgenden einige persönliche Vorschläge zur alternativen Feiertagsgestaltung zusammengetragen.

„Wer seinen Osterurlaub aufgrund der Corona-Krise stornieren musste und sich nun gern in die Sonne träumen würde, dem empfehle ich die Hörbücher zu den Kriminalromanen von Jean-Luc Bannalec. Alle sieben erhältlichen Hörbücher spielen in der Bretagne und schon nach wenigen Sätzen spürt man fast die salzige Brise im Gesicht und hat den Geruch von Fischsuppe beinahe in der Nase. Ganz nebenbei sind die Fälle, die Bannalecs Kommissar Dupin – von Paris in die Provinz strafversetzt und daher zunächst dauernd übel gelaunt – zu lösen hat, auch noch spannend bis zum letzten Kapitel und man lernt viel Interessantes über die bretonische Kultur. Die ersten sieben Fälle von Kommissar Dupin kann man u. a. bei Spotify oder Audible anhören.“

Ana Büttner, Projektmanagement

Kuchen mit Ostereiern

Foto: freestocks on Unsplash

 

„Traditionell feiern mein Sohn, mein Mann und ich Ostern mit meinen Schwiegereltern: Vor dem großen Osterbrunch mit bayerischen Weißwürsten haben wir alle einen Riesenspaß daran, Ostereier, Süßigkeiten und kleine Geschenke zu verstecken und zu suchen. In diesem Jahr werden wir uns nur zu dritt auf die Suche begeben, was uns alle ziemlich traurig stimmt. Aber eine Sache lasse ich mir nicht nehmen: Meine Schwiegermutter liebt frisch gebackenen Hefezopf. Und da sie, nach eigenen Angaben, sogar an Backmischungen scheitert, backe ich seit ca. 10 Jahren immer einen Osterhefezopf – den ich ihr in diesem Jahr einfach im Osternest vor die Haustür legen werde. In meiner Familie hat das Backen eine große Tradition: Jedes Wochenende wurde ein Kuchen gebacken und an Geburtstagen wurde stets groß aufgefahren mit Kuchen und Torten ob meiner großen Verwandtschaft. Teignaschen war und ist immer noch das Highlight für mich, aber auch der frische, süße Backduft weckt in mir schönste Kindheitserinnerungen. Wer auch Lust auf einen Osterzopf hat – „mein“ Rezept nebst Flechtanleitung findet sich hier: https://www.oetker.de/rezepte/r/hefezopf.“

Barbara Poltrock, Projektmanagement

 

„In diesem Jahre freue ich mich tatsächlich noch mehr als sonst auf Ostern. Über die Feiertage können mein Mann und ich (nach ein paar Wochen des doch recht aufwendigen Jonglierens zwischen Arbeiten aus dem Homeoffice, Kleinkindbetreuung, Homeschooling und Haushalt) einmal durchatmen und die Familienzeit etwas ruhiger angehen lassen. Sicher wird auch mit den Kindern wieder viel gelesen. Für unsere jüngste Tochter sind momentan, wie passend zu Ostern, die Kinderbücher der ‚Hasenkind‘-Reihe von Jörg Mühle (Moritz Verlag) der Hit. In diesen schlicht, aber liebevoll gezeichneten Mitmachbüchern unterstützen die jüngsten Leserinenn und Leser das Hasenkind in Situationen mit einem gewissem Konfliktpotenzial: Nach einem Sturz („Da kommt ja sogar Blut!“) verarzten sie das Hasenkind mit einem Pflaster, nach dem Haarewaschen am Badetag (auch noch mit Shampoo …) pusten sie seine Haare trocken und sie begleiten es am Abend mit Ohrenkraulen ins Bett. Hier dürfen die kleinen Helferinnen und Helfer viel gelobt werden, sodass das die Hasenkindbücher ein absolut positives Leseerlebnis bieten und zu einem hoffentlich entspannten Osterfest für die ganze Familie beitragen können.“

Rebekka Peters, Human Resources und Vendor Management

Gehäkelte Hühner und Eier

Foto: Sven Brandsma on Unsplash

 

„In andere Welten eintauchen? Kann man auch zu Hause! Und das nicht (nur) mit einem guten Buch. Die unterschiedlichsten Museen in der ganzen Welt haben sich mit Google zusammengetan und unter artsandculture.google.com ein einzigartiges kulturelles Angebot ins Leben gerufen: kostenlose, virtuelle Ausstellungen in englischer Sprache. Zwischen unglaublichen Fotos buchstäblich weit, weit entfernter Galaxien (NASA) und dem revolutionären Lichtspiel des Impressionismus (bspw. Musée d’Orsay) bis hin zu den Höhlenmalereien der weltweit ersten, jahrtausendealten ‚Kunstgalerie‘ (UNESCO-Weltkulturerbe Grotte Chauvet) kann ich gar nicht anders, als dem jetzigen Quarantäne-Alltag etwas zu entfliehen. Was steht wohl in dem Brief, den ein ‚Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster‘ (Jan Vermeer, Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden) studiert? Wie riechen und schmecken wohl die mühsam geernteten Kartoffeln, die von den Bauern in dem Bild ‚Die Kartoffelesser‘ (Vincent Van Gogh, Kröller-Müller Museum) mit dreckigen Händen verzehrt werden? Zugegeben, ein virtueller Museumsbesuch wird nie an das echte, physische Erlebnis Angesicht (Kunstwerk) zu Angesicht herankommen. Trotzdem haben Online-Ausstellungen auch ihre Vorteile – keine Warteschlangen vor dem Eingang, genug Zeit, um jedes Werk so lange zu betrachten, wie man möchte, ohne dabei von Menschenmassen umlagert zu werden, und vor allen Dingen: keine Ansteckungsgefahr.“

Marie Kneller, Projektmanagement Kommunikation, Accounting und Vendor Management

 

„In diesen Zeiten können sich die Tage mitunter hinziehen. Ein spannender Film für die Ostertage ist da eine willkommene Abwechslung – wie zum Beispiel der argentinische Thriller ‚In ihren Augen‘ (Originaltitel: El secreto de sus ojos) aus dem Jahr 2009. In dem oscarprämierten Film geht es um den pensionierten Gerichtsbeamten Benjamín Esposito, welcher beschließt, im Jahr 2000 einen Roman zu schreiben. Dieser basiert auf einem seiner eigenen Fälle, der ihn auch 25 Jahre später nicht loslässt: die Vergewaltigung und anschließende Ermordung der jungen Liliana Colotto im Jahr 1974. Die Kriminalgeschichte, in Rückblenden erzählt, zeichnet zugleich ein Bild der aufkommenden Militärdiktatur der 70er Jahre in Argentinien sowie Espositos unerwiderte Liebe zu seiner Vorgesetzten, mit der er damals den Mordfall untersuchte. Der Film schafft es, eine düstere Atmosphäre zu erzeugen, und lässt beim Zuschauer ein immer stärker pulsierendes Gefühl aufkommen, dass Esposito damals etwas übersehen hat – sei es auch nur ein Detail. Nicht zu verwechseln ist der Film übrigens mit dem Hollywood-Remake ‚Vor ihren Augen‘ (Originaltitel: Secret in Their Eyes) aus dem Jahr 2015, das bei Weitem nicht an das Original heranreicht. Wer sich aber an das Original hält, kann sich auf einen Fingernägel und Popcorn kauenden Abend daheim freuen.“

Ant Kahramanoglu, Inhouse-Übersetzer

 

„Egal, ob im Homeoffice oder im Büro: Es liegen anstrengende Tage hinter uns. Die aktuelle Situation ist für uns alle in vielerlei Hinsicht belastend. Umso schöner ist es, an den vor uns liegenden Osterfeiertagen das gute Wetter nutzen zu können, um zu entspannen und wieder ein wenig Kraft zu tanken. Als Outdoor-Fan bin ich dazu immer gerne draußen unterwegs. Und da man im Augenblick weder weiter wegfahren kann sowie touristische Ziele eher meiden sollte, kann ich als ‚Geheimtipp‘ für eine kleine Wanderung das ‚Versmolder Bruch‘ sehr empfehlen. Das bereits 1990 unter Naturschutz gestellte Gebiet ist das drittgrößte Feuchtwiesenschutzgebiet im Kreis Gütersloh und umfasst insgesamt rund 265 Hektar. Es gibt einen knapp drei Kilometer langen Rundweg, der alleine, zu zweit, aber auch gut mit der Familie erwandert werden kann. Dabei kann man Schmetterlinge, Heuschrecken oder Libellen entdecken, den Galloways beim gemütlichen Grasen zuschauen, von einer Beobachtungsplattform die zahlreichen Vogelarten beobachten oder einfach die wunderbar ruhige Natur genießen. Das Bruch mit seinem beeindruckenden Erlenbruchwaldvorkommen ist südlich von Versmold zwischen den Auebereichen der Bäche Aabach, Neue und Alte Hessel gelegen. Weitere Informationen findet man unter https://www.versmold.de/de/freizeit-und-tourismus/versmold-entdecken/gruene-oasen/Versmolder-Bruch.php oder https://goo.gl/maps/thwbjWCfYKL6xkMD9.“

Jörg Vogt, Geschäftsführer

Frohe Ostern wünscht Ihnen die Sprachenfabrik!

So fEIert unser Team das Osterfest

Das Osterfest rückt mit großen Schritten näher und unser Team hat kürzlich erstaunt festgestellt, was für unterschiedliche Traditionen wir in unseren Familien und Herkunftsländern pflegen:

Die Mütter und Väter unter uns färben selbstverständlich Dutzende von EIern mit ihren Kindern und beobachten den Osterhasen, wie er die bunten EIer im Garten versteckt. Natürlich erinnern sich auch die anderen Kollegen gern an diese wEIt verbrEItete Tradition aus ihrer KindhEIt.

Daher fährt Marie noch immer jedes Jahr mit ihrem Freund zum Bielefelder Flugplatz (ja, so etwas gibt es hier tatsächlich), wo bEIde leckere SchokoEIer fürEInander verstecken. BEI Barbara wird zudem (familien-)traditionell EIn Hefezopf für die Schwiegermutter gebacken (das kann die nämlich nicht), Jörg hingegen freut sich schon Monate im Voraus auf die SolEIer sEIner Schwiegermutter – EIne Spezialität, der nicht jeder aus dem Team etwas abgewinnen kann.

 

Andere Länder, andere Sitten: Internationale Ostertraditionen

Besonders originell sind die Traditionen unserer Kollegen mit internationalem Background:

„Smigus Dyngus“ hEIßt EIn polnischer Brauch für den Ostermontag, von dem uns unsere Kollegin Paulina berichtet hat. DabEI bespritzen sich Alt und Jung gegensEItig mit Wasser und verwenden dafür alle brauchbaren Gefäße, von der Schöpfkelle über Spritzpistolen und Gießkannen bis hin zu großen WasserEImern. Vor allem Kinder und Jugendliche haben EInen HEIdenspaß dabEI, auch wenn sie stundenlang pitschnass hinter neuen Opfern herrennen. Dieser Brauch ist möglicherwEIse darauf zurückzuführen, dass der polnische Herrscher Mieszko I. sich taufen ließ und Polen sEItdem dem katholischen Glauben zugehörig ist.

BEI Familie VEIsmanis aus Lettland lautet das Motto am Ostersonntag „Olu kauja“. Nachdem die – mindestens 30 – EIer schon am Samstag (länger als üblich, nämlich mindestens EIne Stunde) gekocht und anschließend mit natürlichen Zutaten wie Zwiebeln und Roter Bete mit Blumenmustern gefärbt wurden, nimmt sich jeder EIn EI und dann beginnt „Aug um Aug“ die EIerschlacht – wie „Olu kauja“ übersetzt hEIßt! Gewinner ist der, dessen EI die mEIsten EInzelkämpfe für sich entschEIden konnte und die wenigsten Blessuren davongetragen hat. Diese Tradition kennt auch Ana, allerdings aus ihrer österrEIchischen Familie.

In England, bEI der Familie unserer Übersetzungspraktikantin Jess, dürfen zu Ostern auf kEInen Fall die „hot-cross buns“ fehlen. Diese Hefebrötchen werden traditionell am KarfrEItag gebacken und enthalten Rosinen und Gewürze wie Zimt, Muskat und Nelke. Ganz besonders macht sie das wEIße Kreuz, mit dem sie verziert werden und welches die Kreuzigung Jesu symbolisiert.

Egal, wie Sie die FEIertage begehen – wir wünschen Ihnen und Ihren Familien EIn paar schöne frEIe Tage!

Appreciating your own culture!

Hi! My name is Molly and since July, I have been working as a translation intern at Sprachenfabrik as part of my degree course in Modern Languages at Durham University.

The opportunity to spend an extended period of time abroad has given me the chance to not only explore a different culture, but also to reflect upon that of my own country, England, and more specifically my county, Wiltshire.

Wiltshire is quintessentially English: full of picturesque villages with thatched cottages, farms and beautiful countryside. It is famed for its idyllic views and an abundance of areas to walk – even in the rainy months, walkers will be seen making their way around the White Horses on the downs, walking sections of the 87 mile Ridgeway pass, a route used since prehistoric times, or taking in the breathtaking views of the Cotswolds. The county has its own cycle route, The Wiltshire Cycle Way, which I cycled with my dad a couple of years ago. It was very hilly – much to my horror – but the view from the top made it worth it! The route passes through Salisbury Plain, which is used as a military training ground and is also a stunning place to visit, although the sights and sounds of army tanks may initially put you off!

Wiltshire is home to a UNESCO World Heritage site in the form of Stonehenge and Avebury. These Neolithic monuments are hugely popular tourist attractions and places of religious importance for the Druid and Pagan community. Every year on the day of the Summer Solstice, thousands of people gather at the two sites to celebrate the longest day and watch the sunrise. The pictures always look so magical and it is definitely on my bucket list to go one year!

There are many sites in Wiltshire which are well worth a visit, such as Salisbury Cathedral. This famous cathedral has the tallest church spire in the UK and an original copy of the Magna Carta is situated within the cathedral grounds. Another town to take a look at is Cricklade, the first town on the Thames; it is an unspoiled town where a rare flower, the Snakeshead Fritillary, blooms each year – with the backdrop of the church, it is a must for nature enthusiasts.

It is safe to say that upon arrival in Germany I was (and still am) very happy with the amount of sun in comparison to home and am fully taking advantage of it! I was also very amused on seeing a red English telephone box in the Altstadt! My time exploring Bielefeld’s culture so far has been wonderful and I am absolutely delighted with the array of cafés and bakeries. As of yet, I have only just touched upon the area’s history by visiting Sparrenburg and a couple of museums, however over the course of the next 5 months, I fully intend to delve deeper into Bielefeld’s rich culture and heritage!

Von Stutenkerlen und Weckmännern

In einer hiesigen Zeitung war in der letzten Woche zu lesen, dass die traditionellen St. Martinsumzüge im Rheinland UNESCO Weltkulturerbe werden sollen. Diese Umzüge gibt es nicht nur im katholischen Rheinland, auch in (Ost-)Westfalen erfreuen sich die Fackel- und Laternenzüge mit einem reitenden Martin großer Beliebtheit, genau wie der gebackene Stutenkerl (andernorts auch Weckmann genannt), den jedes Kind zum Ende erhält.

Nach über 20 Jahren im bayrischen Exil musste ich dieses Jahr sogar meinem knapp 50-jährigen Bruder zwei Exemplare per Express zusenden (nachdem er sie in der „Sendung mit der Maus“ (wieder-)entdeckt hatte). Genau wie in Bayern kennt man das Gebäck mit der klassischen weißen Tonpfeife in vielen anderen deutschen Regionen nicht.

Da können wir gerne helfen, denn künftig kann man den Stutenkerl auch selbst backen: Unser Kunde RBV Birkmann ist Spezialist für Backformen und –accessoires jeglicher Art und hat als ostwestfälisches Unternehmen selbstverständlich auch die passende Ausstechform für den Stutenkerl nebst Tonpfeifen im Angebot. Wir wünschen viel Spaß beim Ausprobieren des Rezepts!

 

Um 4 leckere Stutenkerle zuzubereiten, benötigen Sie:

250 g Quark, 80 ml Milch, 70 ml Öl, 200 g Zucker, 2 Vanilleschoten, 1 Prise Salz, 475 g Mehl, 1 1/2 Päckchen Backpulver, je nach Geschmack 1 TL Kardamon und 1 TL Zimt, ca. 20 Korinthen zur Verzierung

Zubereitung

Quark, Milch, Öl, Zucker, das Mark der Vanilleschoten und eine Prise Salz miteinander verrühren. Mehl mit Backpulver mischen und hinzufügen. Je nach Geschmack Kardamom und Zimt unterrühren.

Alle Zutaten mit den Knethaken des Handrührgerätes zu einem glatten Teig verkneten. Den Teig zu einer Kugel formen, in Folie wickeln und ca. 1 Stunde im Kühlschrank ruhen lassen.

Den Teig auf einer Back- und Ausrollmatte (alternativ auf einer bemehlten Arbeitsfläche) mit Teigstäben ca. 5 mm dünn ausrollen und ausstechen.

Für Augen, Mund und Knopfleiste Korinthen leicht in den Teig drücken. Tonpfeifen auflegen und den Arm leicht darüber schlagen.

Auf der Back- und Ausrollmatte (alternativ auf Backpapier) im vorgeheizten Backofen (Ober-/Unterhitze 200 °C, mittlere Schiene) ca. 12 – 15 Minuten backen.

Die Stutenkerle auf einem Kuchengitter gut auskühlen lassen.

 

Quelle: www.backfreunde.de

Abenteuer Moskau

MoskauMein Name ist Charlie und ich studiere Deutsch und Russisch an der University of Durham in Großbritannien. Im Januar habe ich mein Praktikum in der Sprachenfabrik abgeschlossen und war nur für kurze Zeit nach England zurückgekehrt, um mich auf mein nächstes Abenteuer vorzubereiten: Fünf Monate in Moskau!

An viele Dinge musste ich mich zunächst gewöhnen: Zunächst einmal und wohl am offensichtlichsten die Sprache (als ich ankam, konnte ich kaum verstehen, was man zu mir sagte) und der dauerhafte Schneefall (der letzte Schneefall kam schließlich im Mai). Außer meiner fünfzehn Unterrichtstunden jede Woche, hatte ich nur wenige Verpflichtungen und so versuchte ich die Stadt ein bisschen besser kennenzulernen. Aber Moskau ist so groß und voller Leben, dass ich selbst am Ende meines Aufenthalts kaum die Hälfte der Museen, Parks und anderen Sehenswürdigkeiten, die ich mir ansehen wollte, von meiner Liste streichen konnte.

Meine Lieblingsplätze in Moskau sind sogenannte anti-cafes. Ein paar dieser Art gibt es auch in Großbritannien und Deutschland, aber in Moskau gibt es sie an jeder Ecke. Statt für das Essen und die Getränke zu zahlen, die man zu sich nimmt, zahlt jeder Gast für die Zeit, die er dort verbringt (üblicherweise zwei bis drei Rubel pro Minute). Normalerweise gibt es große Platten mit Gebäck, Kuchen und anderen Süßspeisen sowie verschiedene Arten Tee und Kaffee. Viele nutzen die Cafés als Arbeitsplätze: selbst in den späten Abendstunden kann man meist noch Menschen beobachten, die konzentriert an ihren Laptops tippen. Der besondere Reiz der Cafés liegt darin, dass sie oftmals etwas versteckt sind: in schmalen Seitengassen, in Gebäudekellern oder anderweitig mit bloßem Auge nicht direkt erkennbar. Das Finden eines solchen Cafés fühlt sich an, als bekäme man Zugang zu einem Geheimklub. In vielen davon gibt es Sofas, Bücherregale und Klaviere, als würde man in jemandes Wohnzimmer sitzen und in dieser entspannten, gemütlichen Atmosphäre verliert man schnell das Zeitgefühl. Mehr als einmal ging ich mit der Absicht dorthin, nur für eine Stunde zu bleiben, um zu arbeiten, und blieb dann doch den ganzen Nachmittag dort und gelegentlich sogar den ganzen Abend lang!

Es war oft schwierig, Zeit zu finden, um sich mit meinen Freunden von der Universität zu treffen, die immer viel zu tun hatten. Unsere Pläne waren oft sehr spontan und nicht gut geplant. Das Verb погулять (pogulyat’), das übersetzt „Spazierengehen“ heißt, schien immer aufzutauchen, egal welchen Vorschlag ich machte: Wenn wir nicht in einem anti-café saßen, verbrachten wir einen Großteil unserer Zeit damit, ziellos durch die Stadt zu bummeln. Obwohl meine russischen Freunde immer darauf bedacht waren, jede Minute ihrer Arbeitszeit effizient zu nutzen, so schienen sie immer froh zu sein, wenn wir uns trafen und ließen die Stunden sorglos verstreichen.

Ich erlebte dieses Phänomen auch in einer ziemlich anderen Situation, als eine russische Familie mich einlud, Ostern mit ihnen zu verbringen in einer orthodoxen Kirche am Rande von Moskau. Die Messe begann um Mitternacht am Ostersonntag und dauerte zweieinhalb Stunden (später erfuhr ich, dass dies nicht sehr lang ist für eine solche Messe). Gegen Ende war ich sehr müde, aber direkt danach gab es ein großes Festmahl, das das Ende der Fastenzeit einläutete. Menschen jeden Alters waren da, von kleinen Kindern bis hin zu den Großeltern, und alle sprachen sie mit mir über Russland, Arbeit und Schule und tausend andere Dinge. Abgesehen von einem Jungen, der schlafend in der Ecke der Kirche lag, schien es keinen zu stören, dass es mitten in der Nacht war. Als wir schließlich heimkehrten, war die Sonne bereits aufgegangen.

Ich bin mittlerweile wieder nach Durham zurückgekehrt, wo ich mich langsam wieder an die Routine des Alltags gewöhne. In Moskau zu leben war durchaus mit Herausforderungen verbunden, aber ich werde definitiv die Möglichkeiten vermissen, die sich mir mit viel Freizeit in einer solchen großen Stadt boten. Ich kann es kaum erwarten, zu sehen, welches Abenteuer mich als nächstes erwartet.

Kinderbuchklassiker aus aller Welt – unsere Übersetzer*innen verraten ihre Favoriten

Seitdem ich Mutter bin, treibe ich mich ständig in der Kinderbuchabteilung der Buchhandlung herum – aber nicht, weil mein Sohn dort alles auf den Kopf stellt. Vielmehr begeistern auch mich die tollen Geschichten und gut illustrierten Bücher, eine Mischung aus Déjà-vu und Renaissance. Und mit jedem weiteren Jahr und zahlreichen Neuerscheinungen eröffnen sich mir neue, aber auch wiederentdeckte Welten bzw. Klassiker. Beim letzten Vorlesetag in der Schule habe ich beispielsweise aus dem Buch „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler vorgelesen – ich konnte mich kaum an die Geschichten erinnern und war begeistert, genau wie mein Sohn! Neu entdeckt habe ich dann zufällig einen (schwedischen) Klassiker, den die Buchhändlerin mir empfahl und eine andere, etwa 60-jährige Dame sagte: „Latte Igel kenn ich auch noch, ein Klassiker!“ Warm ums Herz wurde es mir in den Ferien, als wir an einem Regentag das Museum der Augsburger Puppenkiste besucht haben und ich meine Kinderbuch- (und Fernseh-)Helden Jim Knopf, Lukas oder das Urmel dort gesehen habe. Aber auch das wunderschön illustrierte Buch von 2014 über die Maus „Lindbergh“, die von Hamburg nach New York flog, ist für mich ein Klassiker-to-be.

Ich erzähle heute aber von einer deutschen Bilderbuch-„Institution“, es geht um die Wimmelbücher: Das sind großformatige Bilderbücher, gefüllt mit unzähligen Geschichten und voller fantastischer und lustiger Bilderwelten, in denen Groß UND Klein immer wieder etwas Neues entdecken kann. Als einer der Väter der Wimmelbücher gilt Ali Mitgutsch, der 1968 sein erstes Wimmelbuch veröffentlichte. Auch den Erfinder des Bestsellers „Die Abenteuer der schwarzen Hand“(1964), Hans Jürgen Press, kann man dazu zählen, obwohl er sich mit seinen Detektivgeschichten und Zeichnungen an Schulkinder statt an die Allerkleinsten gewandt hat. International ein absoluter Spitzenreiter unter den Wimmelbüchern ist der englische Titel „Where is Wally“ von Martin Hanford, der in 33 Ländern und in 22 Sprachen 43 Millionen Mal verkauft wurde. Mein Favorit jedoch ist die Wimmlingen-Reihe von Rotraut Susanne Berner: In fünf Büchern werden Szenen an denselben Orten in der Stadt Wimmlingen gezeigt, jeweils zu einer anderen Jahreszeit sowie in einer Sommernacht. Was haben wir nicht alles entdeckt in den vier Jahren, in denen die Bücher bei uns hoch im Kurs standen: Wie aus dem Motorradfahrer ein Weihnachtsmann wurde; wo sich auf jeder Seite der Papagei Niko versteckt hat, nachdem er ausgebüxt ist aus seinem Käfig; wie die Polizei nicht nur den Radfahrer ohne Licht, sondern auch den Einbrecher auf frischer Tat im Buchladen ertappt hat – und noch so viel mehr gab es zu entdecken in diesen wundervollen Büchern der mit dem international renommierten Hans Christian Andersen-Preis ausgezeichneten Illustratorin. Diese Buchreihe ist zwar erst 10 Jahre alt, aber in unserer Familie ist sie schon jetzt ein Muss für alle folgenden Generationen und Buchanfänger. Und erfreulicherweise gibt es die Bücher auch in anderen Sprachen – wobei das eigentlich gar nicht notwendig ist, die Bilder sprechen ja für sich und so ist Wimmlingen einfach überall!

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Mein Lieblings(kinder)buch wird 70 Jahre alt – Wir Kinder aus Bullerbü

70 Jahre heile Welt

„Literatur ist Unsterblichkeit der Sprache“ – dieses Zitat des deutschen Kulturphilosophen Friedrich Schlegel ist die perfekte Einleitung für meinen ersten Blogbeitrag überhaupt.

Zum einen liefert Schlegel damit die Antwort auf die Frage, wieso ein Mensch Linguistik und Philosophie studieren sollte – und ich, Marie, die neue Praktikantin bei der Sprachenfabrik, bin einer dieser Menschen, die sich ein derartiges Studium ausgesucht haben.

Zum anderen erklärt Schlegel damit den Anlass meines Beitrags: Mein Lieblings(kinder)buch wird siebzig Jahre alt. Wenn die Literatur tatsächlich für die „Unsterblichkeit der Sprache“ steht, ist dieser Text also für die Sprachenfabrik (fast) überlebenswichtig. „Wir Kinder aus Bullerbü“ – das sind Lisa, die siebenjährige Erzählerin der Geschichte, und die anderen Kinder vom Mittel-, Nord- und Südhof. Wem das noch nichts sagt, dem hilft vielleicht ein Bullerbü-Ohrwurm: „Es muss die beste Fleischwurst sein an diesem schönen Tag, so herzhaft und so extrafein, wie jeder sie gern mag…“ Dem, der hier immer noch nicht einsteigen kann, ist wohlmöglich eines der größten Meisterwerke einer der berühmtesten Kinderbuchautoren aller Zeiten mit einer Gesamtauflage von etwa 160 Millionen Büchern entgangen. Und erraten? Nein? Astrid Lindgren!

Astrid Anna Emilia Lindgren (wie sie mit vollem Namen heißt) wäre dieses Jahr 110 Jahre alt geworden. Wenn man sie nicht durch das Buch „Wir Kinder aus Bullerbü“ kennt, dann durch ihre berühmten Figuren Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Ronja Räubertochter, Karlsson vom Dach, oder oder oder… Laut ihrer Freundin und Biografin Margareta Strömstedt hat Lindgrens Inspiration für die vielen Bücher zwei Hauptursachen. Und zwar die glückliche Kindheit in Vimmerby (dort liegt auch die Schule der Kinder aus Bullerbü) und ihr erstgeborener Sohn Lars. Das Erstere dürfte wohl für sich sprechen, aber das letztere muss ich erklären. Es ging Lindgren nicht darum, sich auszumalen, welche Bücher ihrem Sohn wohl am meisten gefallen. Vielmehr war es der verzweifelte Versuch sich vorzustellen, wie es ihrem, unehelich geborenen und deshalb in den ersten Jahren seines Lebens in einer Pflegefamilie untergebrachten Sohn wohl erging. Zu Bullerbü hat sie selbst einmal erzählt, dass viele Elemente aus der Geschichte ihrer eigenen Kindheit entsprechen: das Leben auf einem Hof, die vielen Tiere und netten Menschen. Wie in der Geschichte gab es auch in Lindgrens echtem Leben etwa einen Großvater, zu dem man die Treppe ins Obergeschoss aufsteigen musste, und ein kleines Lamm, das von ihrer Mutter nicht ernährt werden konnte und von Hand aufgezogen wurde. Die Geschichten von Pippi Langstrumpf hat sich Astrid Lindgren hingegen zum Einschlafen für ihre Tochter Karin ausgedacht. Übrigens: Als Lindgren Pippis Geschichte an ihren Verlag geschickt hat, bat sie darum, davon abzusehen, das Jugendamt zu benachrichtigen.

Wer die heile Welt der Astrid Lindgren noch besser kennenlernen möchte, kann sich Bullerbü auch direkt vor Ort anschauen. Zwar ist der Name des Ortes fiktiv, aber es gab eine nicht-fiktive Vorlage: Sevedstorp in Schweden, wo die drei Höfe seit damals unverändert stehen.

Die Geschichten aus Bullerbü sind zwar erst 70 Jahre alt, aber mit Sicherheit werden sie für mich und für viele vorherige und nachfolgende Generationen „unsterblich“ bleiben.