image Von Tippspielsiegerinnen und Grillabendromantik image Im Gespräch mit unserem neuen Kollegen

Linguistik studieren – ein Alltag mit Krisenexperimenten

Hallo! Ich bin Annika Schimmel und seit Anfang Juli Praktikantin im Bereich Projektmanagement hier in der Sprachenfabrik. Außerdem studiere ich zurzeit im Kernfach Linguistik und im Nebenfach Literaturwissenschaft an der Universität Bielefeld.

Besonders zu meinem Kernfach werde ich oft fragend angeschaut, sobald ich bei entsprechender Gelegenheit den Studiengang „Linguistik“ nenne. Dass er etwas mit Sprache zu tun hat, können sich die meisten noch herleiten, doch dann geraten sie oft ins Stocken. Und ehrlich gesagt ist es auch gar nicht so einfach zu erklären. Um für etwas Aufklärung zu sorgen, möchte ich im Folgenden näher beschreiben, womit sich das Fach Linguistik nun eigentlich beschäftigt.

Die Forschungsdisziplin Linguistik

Die Linguistik legt den Fokus nicht auf eine bestimmte Sprache, sondern forscht sprachenübergreifend. Zudem unterteilt sich die Linguistik in verschiedene Forschungsgebiete, wie beispielsweise die Grammatik und die Semantik oder auch die Computer- und die Psycholinguistik. In manchen Forschungsgebieten, wie zum Beispiel der Grammatik, kann es also sein, dass man sich mit mehreren Sprachen gleichzeitig beschäftigt. Beispielsweise, indem man grammatische Phänomene aus verschiedenen Sprachen miteinander vergleicht. Im Studium beschäftigen wir uns somit teilweise sogar mit Sprachen, die wir noch nicht einmal richtig sprechen oder verstehen können! Das macht es sehr interessant, denn das Studium bietet einem so die Möglichkeit, sich einer neuen Sprache aus einer übergeordneten Perspektive zu nähern.

Ein weiteres Forschungsgebiet, das gleichzeitig der Schwerpunkt meines Studiums ist, trägt den Titel „Kommunikationsanalyse“. In der Kommunikationsanalyse liegt der Fokus größtenteils auf verbalen Gesprächen, also auf der Interaktion zwischen Menschen im Gespräch. Es ist wirklich unglaublich, wie viel sich selbst anhand von nur wenigen Sätzen analysieren lässt! In unserer verbalen Interaktion befolgen wir viele Regeln tagtäglich und ohne dass wir es merken. Der Grund dafür liegt in unserem Unterbewusstsein: Viele Regeln haben wir schon so oft umgesetzt und von klein auf gelernt, dass wir sie mittlerweile gar nicht mehr als Regeln wahrnehmen.

Garfinkels „Krisenexperimente“

Um sich dies besser vorstellen zu können, möchte ich im Folgenden ein Beispiel nennen. Dieses stammt von Harold Garfinkel, der eine Vielzahl von sogenannten „Krisenexperimenten“ durchgeführt hat. In denen wurden die Regeln der alltäglichen Interaktion bewusst gebrochen, um genau diese Regeln aufzuzeigen.

In einem dieser Experimente stellt Person A zunächst die alltägliche Frage „Wie gehts dir?“. Person B antwortet auf diese Frage allerdings nicht mit einer üblichen Antwort wie „Gut, und dir?“, sondern mit einer Gegenfrage: „Wie gehts mir in Bezug worauf? Körperlich, psychisch, finanziell…?“. Person A reagiert darauf empört: „Ich versuche einfach nur, höflich zu sein.“

Person B antwortet auf die Floskel von Person A also mit einer ernst gemeinten Gegenfrage, welche nicht der Erwartung von Person A entspricht, was sich an der Empörung erkennen lässt. Dadurch kann zugleich die Regel festgestellt werden: Die Frage „Wie gehts dir?“ wird häufig lediglich als Einstiegsfloskel in ein Gespräch verwendet, auf die eine Äußerung wie „Gut, und dir?“ und keine ernsthafte Antwort erwartet wird.

Neben diesem Beispiel gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, um unsere Regeln in der alltäglichen Interaktion aufzuzeigen. Und das Praktische ist: Weil jede*r von uns tagtäglich Teil von Interaktionen ist, hat auch jede*r von uns die Möglichkeit, diese Krisenexperimente selbst auszuprobieren! Vielleicht gehen auch Sie demnächst einmal der Linguistik auf die Spur… Sie glauben gar nicht, wie viel Sie selbst über Ihre eigene Interaktion erfahren werden!