Es ist Juni, sicher einer der schönsten und vor allem einer der hellsten Monate in Europa. In einigen Erdteilen wird im Juni ausgiebig die Sommersonnenwende gefeiert. Fast jedem ist diese Feier aus Skandinavien, insbesondere Schweden, bekannt.
Dass auch einige der baltischen Staaten eine ganz besondere Mittsommertradition besitzen, erzählt uns heute unser Kollege Martins, gebürtig aus Lettland.
Wie genau feiert ihr in Lettland Mittsommer?
Der längste Tag ist am 21. Juni, aber der Höhepunkt des Mittsommer-Festes in Lettland ist die Nacht vom 23. Juni auf den 24. Juni. Beide Tage sind nationale Feiertage in Lettland und werden auch im ganzen Land groß gefeiert. Der 24. Juni heißt im Lettischen Jāņi, weil an demselben Tag der Namenstag von Jānis gefeiert wird, einem der populärsten männlichen Vornamen in Lettland. Im Deutschen spricht man vom Johannisfest.
Der 23. Juni ist der Līgo-Tag: An diesem Tag zeigt sich die ausgeprägte Naturverbundenheit der Letten, nicht umsonst bezeichnet man den Līgo-Tag als Kräutertag. Der Natur und allen Kräutern werden zu dieser Zeit besondere magische Heilkräfte zugeschrieben, sie vertreiben auch das Böse. Häuser und sogar Autos werden mit Zweigen von Eichen, Vogelbeerbäumen und Birken geschmückt. Es ist auch ganz üblich oder fast ein Muss, dass man junge Birken (bis zu 3 Meter hoch) in Innenräume trägt und in die Ecken stellt. Aus diesen Bäumchen kann man später Sauna-Quaste machen.
Die Frauen flechten Kronen aus Feldblüten, jedem Jānis wird am Namenstag mit einem Kranz aus Eichenzweigen gratuliert und dieser trägt den Kranz dann auch stolz als Hauptfigur des Festes. Einen besonderen Stellenwert hat an diesem Fest auch das Farnkraut: Man vermutet, dass dieses nur in der Nacht des Festes blüht. Verliebte gehen nachts auf die Suche nach dem blühenden Farnkraut – sicher einer der Gründe, wieso ungefähr neun Monate nach dem Fest die Geburtenraten jährlich etwas höher liegen als im Durchschnitt.
Schon in der Woche vor der Feier gibt es verschiedene Veranstaltungen, Volkstänze, Konzerte, traditionelle Jahrmärkte.
Und natürlich wird dieses naturverbundene Fest auch draußen gefeiert, trotz der oft regnerischen Wetterverhältnisse, man sagt, „es regnet wie am Johannistag“. An jedem Festplatz gibt es Feuer, sehr oft in Metallkörben, die auf hohen Masten stehen und von Weitem sichtbar sind. Ein Muss auf jedem Tisch ist runder Käse mit Kümmel, meist selbstgemacht. Diese gelben, runden Käserollen symbolisieren die Sonne und der Kümmelkäse schmeckt besonders gut zu Bier – an diesem Fest sind die Letten wahrscheinlich für ein paar Tage Weltmeister im Bierkonsum. Heutzutage ist es auch ein nationales Grillfest. Es werden besondere Festlieder gesungen, in denen es um die Natur, Kräuter, Bier oder verschiedene Bräuche des Tages geht. Man tanzt und feiert bis Sonnenaufgang. Eine der Traditionen ist, über das Lagerfeuer zu springen, was symbolisch für die Sonnenwende steht; es ist aber auch ein Fruchtbarkeitsritual. Heutzutage gibt es sowohl organisierte als auch spontane Nudistenläufe in einigen Orten während dieser Nacht. Und es gibt vieles mehr, was man in dieser Nacht erleben kann.
Weißt du etwas über die Hintergründe des Festes, z. B. die geschichtliche Entwicklung?
Die Letten ebenso wie die nördlichen Nachbarn in Estland (etwas weniger im südlichen Litauen) feiern die Sommersonnenwende schon seit Jahrhunderten. Damit verbundene Folklore und Volkslieder sind der beste Beweis dafür. Unter christlichem Einfluss ist daraus das Johannisfest geworden, aber die heidnischen, naturgebundenen Bräuche sind weitgehend erhalten geblieben. Zumindest im Unterbewusstsein jedes Letten.
Was gefällt dir persönlich besonders am Fest?
Für mich ist das Johannisfest der größte Feiertag des Jahres. Man kann mit der ganzen Familie zusammen sein, weil alle frei haben und in festlicher Stimmung sind. Die Natur ist in voller Blüte und in grüner Pracht, erst um diese Zeit wird es richtig sommerlich. Dazu habe ich am Johannistag auch noch Geburtstag, ebenso wie meine Mutter. Also insgesamt und unbestritten ein sommerlicher Höhepunkt, der jedes Jahr anders ist.