image Wir wünschen frohe Festtage! image Integration der Sprachenfabrik GmbH in die t’works-Gruppe

Was macht eigentlich ein*e Dolmetscher*in?

Die Vorstellung vom Dolmetscherberuf variiert von “ich habe schon als Kind für meine Eltern übersetzt (falscher Begriff ;)), da ich zweisprachig aufgewachsen bin” bis “Dolmetscher haben neben Fluglotsen den stressigsten Beruf überhaupt”. Die Realität liegt wie immer irgendwo dazwischen. Was alles dazu gehört, um den Dolmetscherberuf mit Freude und Erfolg auszuüben, erzählt in diesem Blogartikel unsere Kollegin Ilona Riesen, die selbst viele Jahre dolmetschte und nun Prüferin bei staatlichen Dolmetscherprüfungen ist.

Erinnert ihr euch an Nicole Kidman und Sean Penn im Polit-Thriller „Die Dolmetscherin“? Die Dreharbeiten fanden sogar tatsächlich innerhalb des Hauptsitzes der Vereinten Nationen statt, wo über das Schicksal der Welt mitentschieden wird und echte Dolmetscher*innen nicht nur Sprachwissen, sondern auch diplomatisches Geschick beweisen müssen. Online-Quellen zufolge lernte Nicole Kidman für die Aufnahmen sogar Flöte spielen und Vespa fahren.

Nun, ich musste bisher beides nicht lernen, zumindest nicht für meine Dolmetschtätigkeit. Allerdings habe ich mir regelmäßig für anstehende Dolmetscheinsätze neue Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen müssen, darunter: Wissen über Cyberangriffe auf ausländische Oppositionspolitiker, die Funktionsweise von Passivhäusern sowie die Kulturgeschichte und moderne Bildungspolitik Kasachstans. Und ich muss sagen, es hat immer Spaß gemacht. Vor den ersten Einsätzen hatte ich allerdings auch gezittert, da ich zwar viel theoretisches Wissen, aber nur eine geringe Vorstellung von Abläufen und Eventualitäten hatte, die die Arbeit mit Menschen und Sprachen mit sich bringen kann.

Daher freue ich mich umso mehr, dass wir nun in unseren Online-Dolmetscherkursen angehenden Dolmetscher*innen, die als Quereinsteiger*innen in diesen Beruf kommen, nicht nur theoretisches, sondern auch praktisches Wissen vermitteln können. Und was genau das sein kann, schauen wir uns in diesem Blogartikel an:

Laut BDÜ ist “Dolmetschen […] die mündliche Übertragung eines gesprochenen oder schriftlich fixierten Textes”. Das ist der große und ausschlaggebende Unterschied zum Übersetzen – also der schriftlichen Übertragung eines in der Regel schriftlich vorliegenden Ausgangstextes. Auch beim Dolmetschen geht es grundsätzlich, aber nicht immer (z. B. Gebärdensprachdolmetschen), um das Vermitteln zwischen zwei Sprachen und Kulturen. Diese Ausgangssituation gibt das benötigte Kompetenzminimum schon einmal vor: Man muss zwei Sprachen sehr gut mündlich beherrschen, aufmerksam zuhören und verstehen, das Gehörte für die Dauer der Verdolmetschung im Gedächtnis behalten und in der Zielsprache mündlich auf den Punkt bringen können.

Dabei entsteht der „Ausgangstext” meist viel spontaner und ist daher nicht oder zumindest weniger planbar als beim Übersetzen. Und der/die Dolmetscher*in muss in der Regel ad hoc – also spontan und quasi sofort – verdolmetschen. Das bedeutet, dass man sich auf der einen Seite immer gut vorbereiten muss und dennoch immer wieder mit Unvorhergesehenem konfrontiert wird. Das Ausmaß des Unvorhergesehenen ist jedoch umso geringer, je besser man sich im Fachgebiet sowie in den Arbeitsmitteln und -methoden auskennt.

Es werden zwei grundlegende Dolmetschformen unterschieden: Konsekutiv- und Simultandolmetschen. Sie treten am häufigsten auf und prägen den Beruf maßgeblich. Bei Geschäfts- oder Gerichtsverhandlungen greift man meist auf die Methode des Konsekutivdolmetschens zurück, da sie im Prinzip keine zusätzlichen Hilfsmittel erfordert, die nicht ohnehin für die Redner*innen organisiert werden.  Allerdings ist diese Methode zeitaufwändig, da die Redner*innen und die Dolmetscher*innen nacheinander (konsekutiv) sprechen müssen. Aus diesem Grund kommen beispielsweise bei Konferenzen Simultandolmetscher*innen zum Einsatz. Diese sitzen im Optimalfall in einer schallisolierten Kabine, verfolgen die Geschehnisse am Rednerpult durch die Glasscheibe oder auf dem Monitor und sprechen ins Mikrofon das nach, was sie über die Kopfhörer hören – nur eben in einer anderen Sprache. Vermutlich diente dieses Bild auch als Initialzündung für den Vergleich zwischen Dolmetscher*innen und Fluglots*innen. Aus der eigenen Erfahrung kann ich bestätigen, dass das Konzentrations- und Stressniveau enorm hoch ist. Daher sollten bei Konferenzen mindestens zwei Dolmetscher*innen pro Sprachkombination eingesetzt werden, damit sie sich ca. alle 20 Minuten abwechseln können.

Neben den Grundformen treten je nach Beteiligten, örtlichen Gegebenheiten und situativen Anforderungen auch Sonderformen des Dolmetschens auf: das Gebärdensprachdolmetschen, das Schriftdolmetschen oder das Stegreifdolmetschen bzw. -übersetzen. Letzteres ist methodisch gesehen eine Hybridform des Dolmetschens und Übersetzens: Hierbei „liest” der/die Dolmetscher*in den ihm/ihr vorliegenden schriftlichen Text fast ohne zeitliche Verzögerung in der Zielsprache vor. Dies ist regelmäßig bei Verhandlungen im Gerichtssaal oder bei Geschäftsabschlüssen der Fall. Beim Gebärdensprachdolmetschen und teilweise auch beim Schriftdolmetschen sind gehörlose Menschen die Zielgruppe.

Wenn man Dolmetscher*in werden möchte, sollte man sich also ernsthaft vorbereiten: Dafür gibt es entsprechende akademische Studiengänge bzw. Vorbereitungskurse mit anschließender staatlicher Prüfung.

In unseren Online-Dolmetscherkursen bieten wir insbesondere Quer- und Wiedereinsteiger*innen die Möglichkeit, sich zeit- und ortsunabhängig sowie individuell abgestimmt auf eigene Bedürfnisse und Vorkenntnisse auf staatliche Dolmetscherprüfungen vorzubereiten. Von den Grundlagen des Dolmetschens über Vortrags- und Gesprächsdolmetschen, Konsekutiv- und Simultandolmetschen bis hin zur Notizentechnik ist alles dabei.

Wenn Du Fragen zum Thema hast, steht unsere Kollegin Ilona Riesen gern zur Verfügung.

 

// Titelbildnachweis: unsplash.com/de/@wansan_99