Als der Gymnasiallehrer Konrad Duden am 07. Juli 1880 sein „Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“ veröffentlichte, ahnte er wohl noch nicht, dass sein Nachname Jahrzehnte später den Charakter einer Marke annehmen würde. Auch für uns in der Sprachenfabrik gehört der Duden fest ins Repertoire und ist eins unserer unverzichtbaren Arbeitswerkzeuge. Wo kämen wir hin, wenn wir bei unseren Leistungen Korrektorat und Lektorat nicht auf den schlauen Ratgeber im gelben Design zurückgreifen könnten?
Von „Covid-19“ bis „Brexiteer“
Fast auf die Jahreszeit genau 140 Jahre später ist im August 2020 die inzwischen 28. Auflage erschienen. Und mit insgesamt 148.000 Stichwörtern, davon 3.000 neu aufgenommenen Begriffen, und Hinweisen zum geschlechtergerechten Gebrauch spiegelt der Duden mehr denn je den Zeitgeist der jüngsten Vergangenheit wider. Mit Begriffen wie „Shutdown“, „Social Distancing“, „Covid-19“, „Influencer“, „Klimakrise“, „haten“ und „Brexiteer“ trägt er all den Ereignissen und Entwicklungen sprachlich Rechnung, die uns in den letzten Wochen und Monaten begleitet haben. Angesichts zunehmender Gender-Debatten beinhaltet die neue Ausgabe z. B. auch Empfehlungen zum gendergerechten Sprachgebrauch – und das neue Gender-Sternchen ist bereits zu einer viel diskutierten Neuerung geworden. Mit dem „Duden-Mentor“, einer neuen Funktion zur Textprüfung, können die Käufer*innen einen Monat kostenlos digital ihre Texte prüfen lassen. Der Duden geht also auch in der digitalen Welt weitere Schritte.
28 Auflagen deutscher Geschichte
Angesichts der neuesten Ausgabe ist es interessant, auf ein paar Meilensteine in der Geschichte der 28 Duden-Auflagen zurückzublicken. Umfassen diese doch immerhin drei Jahrhunderte, wenn auch zwei davon nur in Teilen.
Welche Ereignisse fanden in den verschiedenen Auflagen ihren Niederschlag? Was hat sich in den neuen Ausgaben gegenüber den älteren geändert? Welche Wörter waren in bestimmten Auflagen tonangebend? Hier ein ausgewählter Überblick:
Als sogenannter Urduden ging die erste Auflage des Duden im Juli 1880 in die Geschichte ein. Verglichen mit der aktuellen Ausgabe war der Urduden ausgesprochen übersichtlich, nur 27.000 Stichwörter fanden auf 187 Seiten Platz. Das Erscheinungsjahr dieses ersten Dudens verwundert nicht, wenn man es vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte betrachtet: Die Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1870/71 verlangte nach Regeln für eine einheitliche Rechtschreibung im gesamten Land. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten z. B. alle Schulen in jedem deutschen Teilstaat ihre eigenen orthografischen Regeln aufgestellt.
Von der dritten Auflage an, die im Jahr 1887 erschien, umfasste der Duden immer mehr sachdienliche Erläuterungen zu bestimmten Begriffen sowie etymologische Angaben.
Vielleicht hatte diese Erweiterung zur Folge, dass ab der 7. Auflage im Jahr 1902 ein redaktionelles Team den Urheber Konrad Duden bei seiner Arbeit unterstützte – der Vorläufer der heutigen Duden-Redaktion, die auch nach Konrad Dudens Tod im Jahr 1911 die Verantwortung übernahm.
Es verwundert nicht, dass die 11. und 12. Auflage, die während der NS-Zeit erschienen, vom ideologischen Gedankengut der damaligen Zeit geprägt waren. So enthielt die 11. Auflage im Jahr 1934 180, die 12. Auflage im Jahr 1941 sogar 883 neue NS-Begriffe, die selbstverständlich im ersten „Nachkriegsduden“ 1947 wieder herausfielen.
Dass sich die deutsche Teilung schon zu Beginn der 50er-Jahre andeutete, fand sich auch in zwei unterschiedlichen Ausgaben des Duden wieder. Ab diesem Zeitpunkt veröffentlichten beide deutsche Staaten ihren jeweils eigenen Duden, einen Ost- und einen West-Duden.
Die Wortwahl machte die unterschiedlichen Lebenswelten in beiden deutschen Staaten deutlich: So enthielt der Ost-Duden ab Ende der 60er-Jahre zunehmend Begriffe aus dem sozialistischen Milieu. Begriffe wie „Kreuzfahrt“ oder „Staatsstreich“ wollte man verständlicherweise nicht aufnehmen. Der westdeutsche Duden war hingegen auch offen für die Jugendsprache. Auffallend ist, dass sich beide Duden-Ausgaben im Bereich der Rechtschreibung kaum voneinander unterschieden. Interessanterweise war im Ost-Duden bis in die 60er-Jahre hinein auch keine Trennung der politischen Systeme erkennbar: So erschien hier das allgemeine Wort „Deutschland“ für beide deutsche Staaten, „Berlin“ war die „Hauptstadt Deutschlands“. Von Begriffen wie „BRD“ und „DDR“ war erstaunlicherweise nicht die Rede. Dies änderte sich zwar im weiteren Verlauf der Ausgaben. Aber man kann schon an dieser Stelle vielleicht erahnen, dass später „zusammenwachsen muss, was zusammengehört“.
Dies war dann tatsächlich im sogenannten Einheitsduden der Fall, der im August 1991 als 20. Auflage erschien. Das Kapitel der zwei parallel existierenden Duden-Ausgaben ging damit nach gut 40 Jahren zu Ende.
Von der 21. Auflage im Jahr 1996 an begann man, die Inhalte des Dudens fortlaufend zu vereinfachen und zu erweitern. Im „Reformduden“ vereinfachte man z. B. die Regelungen zur Laut-Buchstaben-Zuordnung, zur Getrennt- und Zusammenschreibung und zur Zeichensetzung. Das Computer-Zeitalter machte sich bemerkbar, denn erstmals gab es den Duden als CD-ROM.
Die 23. Auflage aus dem Jahr 2004 ging einen weiteren Schritt in Richtung sprachliche Gleichstellung, indem sie weibliche Personenendungen aufnahm. Inzwischen war der Duden völlig in der digitalen Welt angekommen: Er war für alle technischen Systeme verfügbar, mittlerweile auch für Smartphones.
Einmal mehr machte der Duden in der 24. Auflage im Jahr 2006 als Orthografie-Ratgeber seinem Namen alle Ehre: Die Duden-Redaktion machte erstmals empfohlene Schreibweisenvarianten mit gelber Schriftfarbe optisch kenntlich.
Auch im Bereich des Wortschatzes öffnete sich der Duden in den folgenden Jahren immer mehr dem Zeitgeist und zeigte, dass sich Sprache untrennbar mit gesellschaftlichen Entwicklungen verband und verbinden wird: Abwrackprämie, Web-Log, QR-Code, Inklusion, Flashmob … Die Liste ist noch nicht zu Ende.
Wir sind auf jeden Fall gespannt, wie die 29. Auflage in ein paar Jahren aussieht.